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Gebäudebrand in Göppingen

Ein beim Notruf gemeldeter Kleinbrand auf einer Terrasse im Zentrum der Stadt Göppingen stellt sich 2020 als Vollbrand einer Dachterrasse heraus, der das zweite Obergeschoss des Brandobjektes zerstörte und einen immensen Atemschutz-Einsatz erforderte.

Alarmierung

Am 12. April 2020 meldete eine Anruferin gegen 19.35 Uhr der Integrierten Leitstelle Göppingen einen »brennenden Müllsack« auf der Terrasse eines Mehrfamilienhauses. Die Alarmierung erfolgte nach der Einstufung »Brand 1«. Die Alarm- und Ausrückeordnung der Feuerwehr Göppingen sieht hierfür ein HLF 20 und aufgrund der Corona-Lage einen KdoW mit dem Zugführer vom Dienst (ZvD) vor.

Lage beim Eintreffen

Für den ersteintreffenden ZvD war zunächst eine leichte Rauchentwicklung auf der Gebäuderückseite erkennbar. Vor dem Gebäude begegneten ihm zwei augenscheinlich stark rauchbeaufschlagte Personen, die ihm mitteilten, dass das Feuer bereits zu groß sei und Löschversuche durch sie zwecklos waren. Die eigene Erkundung der ersten Führungskraft ergab, dass es sich in der Tat bereits um einen Vollbrand mit ungewöhnlich hoher Flammenbildung auf der Dachterrasse des ersten Obergeschosses handelte. Das Feuer ist bereits auf den tiefgezogenen Dachstuhl übergegriffen. Alle Bewohner hatten das Brandobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen.

Brandstelle an der Terrasse und am Balkon

Erste Einsatzmaßnahmen

Die erste Lageeinschätzung führte zur sofortigen Nachforderung des kompletten Löschzuges, des Einsatzleiters vom Dienst und zum Vollalarm für die Innenstadt (rund 70 Einsatzkräfte).

Als Erstmaßnahme erfolgte die Brandbekämpfung mit zwei Trupps und zwei C-Rohren am Terrassenbereich des ersten Obergeschosses sowie auf dem darüber liegenden Balkon des zweiten Obergeschosses. Das zweite Löschgruppenfahrzeug (LF 16/12) und die Drehleiter (DLA(K) 23/12) wurden ebenfalls zur Brandbekämpfung eingesetzt. Die in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang stehenden Drehleiter (Produktbezeichnung: L32A XS) setzte einen im Korb zu steuernden Löschmonitor ein, kontrollierte und schützte mit gezielter Wasserabgabe den Dachstuhl des Gebäudes. Das LF 16/12 sicherte die Wasserversorgung der Drehleiter, stellte den Sicherungstrupp und führte eine Riegelstellung zur angeschlossenen Industriehalle durch. Der originäre brennende Bauschutt auf der Terrasse im 1. OG konnte zeitnah abgelöscht werden.

Die Drehleiter bekämpft an unterschiedlichen Gebäudeteilen zahlreiche Brandstellen

Gebäudespezifische und coronabedingte Problemstellungen

Bereits nach kurzer Zeit griff das Feuer auf den Balkon und den tiefgezogenen, flachabfallenden Dachbereich des zweiten Obergeschosses über. Durch die Brandeinwirkung hat sich insbesondere das Dach auf der straßenabgewandten Gebäudeseite unterhalb der Dachhaut entzündet. Um das Brandereignis wirkungsvoll bekämpfen zu können, musste die über Stahlseile abgefangene Balkonkonstruktion im  zweiten Obergeschoss kleinteilig aufgestemmt werden. Durch die beengten Platzverhältnisse in diesem Bereich konnte lediglich ein Trupp dort tätig werden. Frühzeitig war für den Einsatzleiter erkennbar, dass die Löscharbeiten eine Vielzahl von Atemschutzgeräteträger*innen erfordern und die durchzuführenden Tätigkeiten kräftezehrend sein werden. Aufgrund der Corona-Lage hatte zudem ein optimierter Personaleinsatz an der Einsatzstelle zu erfolgen, der alle Corona-Schutzmaßnamen (Abstands- und Hygieneregeln) zur Eindämmung von Übertragungen des Corona-Virus (SARS-CoV-2) berücksichtigt.

Löscharbeiten am Balkon und dem tiefgezogenen Dachbereich im 2.OG

Weitere Maßnahmen und Einsatzablauf

Der ELW nahm auf der angrenzenden Hauptverkehrsstraße (Markstraße) Aufstellung und stellte mit der Führungsunterstützungsgruppe die Führungs- und Leitungskomponente bereit. Aufgrund der immer wieder auftretenden Rauchentwicklung, verlegte die Einsatzleitung den ELW in den oberen Bereich der Marktstraße. Im Einsatzverlauf ist ein LF 20 KatS und ein MTW mit weiteren Atemschutzgeräteträger*innen der Innenstadt nachgefordert worden.

Das Brandgeschehen mit Rauchentwicklung gegen 21 Uhr

Nach der Übernahme der Einsatzleitung durch den Kommandanten der Feuerwehr Göppingen erfolgte die Aufteilung der Einsatzstelle in zwei Einsatzabschnitte:

  • Im Einsatzabschnitt I (Brandbekämpfung) wurden die originären Löschmaßnahmen im und auf dem Gebäude durchgeführt.
  • Im Einsatzabschnitt II (Atemschutzpool) erfolgte die zentrale Steuerung der Atemschutzgeräteträger.

Nach einer etwa dreistündigen Einsatzdauer waren die Atemschutzgeräteträger*innen aus der Innenstadt mindestens einmal eingesetzt Eine Ermüdung vieler eingesetzter AT-Kräfte war erkennbar. Deswegen entschied der Einsatzleiter die Einsatzkräfte abzulösen und zu verpflegen. Er legte in diesem Zusammenhang fest, dass den zu alarmierenden Einheiten eine geplante Vorlaufzeit von zirka 30 Minuten bis zum Atemschutzeinsatz einzuräumen ist. Dieser Zeitraum erschien angemessen, weil die Geräteentnahme aus dem GW-A, die Vorbereitung auf einen anstrengenden Atemschutzeinsatz und die Lageeinweisung vor Ort ohne Zeitdruck ablaufen sollten.

Die Nachforderung des LF 20 KatS und des MTWs mit Atemschutzgeräteträger*innen aus dem Stadtbezirk GP-Bartenbach erfolgte gegen 21:50 Uhr. Die Einsatzkräfte aus dem Stadtbezirk kümmert sich auch um die Einsatzstellenverpflegung.

Ein Atemschutztrupp erstattet direkt Bericht an den Einsatzleiter

Gegen 23:45 Uhr entschied der Einsatzleiter erneut »frische« Atemschutzgeräteträger*innen nachzufordern, weil aufgrund der gefährlichen Arbeitshöhe und der körperlichen Anstrengung die eingesetzten Atemschutztrupps ausgetauscht werden sollten. Ein TLF 16/25, ein LF10/6 und ein MTW mit Atemschutzgeräteträger*innen aus dem Göppinger Stadtbezirk Faurndau wurden nachgefordert.

Mit insgesamt 22 AT-Trupps, die 65 Atemschutzflaschen verbraucht haben, sollte unter allen Umständen ein ausgedehnter Dachstuhlbrand und eine Brandausbreitung auf die Wohnung im zweiten Obergeschoss verhindert werden. Mit 15 Fahrzeugen und 85 Einsatzkräften war das Feuer gegen 2:16 Uhr »unter Kontrolle«. Erst nach dem vollständigen Öffnen der Zwischendecke konnte mit den Nachlöscharbeiten begonnen werden. Gegen 3:15 Uhr war das Feuer endgültig gelöscht. Ein staffelbesetztes LF 16/12 übernahm bis morgens 8 Uhr eine Brandwache. Die Nachkontrolle am Vormittag durch den Einsatzleiter ergab keine weiteren Glutnester. Am Morgen erfolgte auch die Brandursachenermittlung durch die Polizei.

Einsatzabschnitt I (Brandbekämpfung)

Die Besatzung der Drehleiter führte mit dem Löschmonitor gezielte Löschmaßnahmen von der Südseite des Gebäudes durch und leuchtet im weiteren Verlauf den primären Einsatzbereich im zweiten Obergeschoss aus. Während der Löscharbeiten griff das Feuer auf den Sanitär- oder Küchenbereich der obersten Wohnung im zweiten Obergeschoss über. Um an den Brandherd zu gelangen, erfolgte innerhalb des Gebäudes im zweiten Obergeschoss, die teilweise Öffnung zweier Außenwände zum tiefgezogenen Balkon hin.

Am aufgesetzten Balkon und im Dachbereich des zweiten Obergeschosses, hatten sich zudem unzählige kleine Brandstellen gebildet. Dieser Bereich musste aufwendig aufgestemmt, gekühlt und abgelöscht werden. Die Dachhaut wurde dabei mit Motorketten- und Rettungssägen geöffnet, um die Bitumenbahnen abziehen zu können. Durch die Löschmaßnahmen im Bereich des Balkons im zweiten Obergeschoss konnte der Brand zunächst eingedämmt werden. Unter Zuhilfenahme von Einreißhaken und dem Löschmittel Schaum, hatten die Einsatzkräfte schlussendlich einen dauerhaften Löscherfolg erzielt.

Die Atemschutzgeräteträger*innen befanden sich zur Brandbekämpfung teilweise im absturzgefährdeten Bereich, in ca. 12 m Höhe. Gesichert wurden diese aus der zwischenzeitlich versetzen Drehleiter und durch Feuerwehreinsatzkräfte aus dem Fachbereich der Absturzsicherung.

Von der Drehleiter aus, teilweise in zwölf Metern Höhe, bekämpfen die Einsatzkräfte das Feuer

Einsatzabschnitt II (Atemschutzpool)

Um einen strukturierten Einsatz der Atemschutzgeräteträger*innen zu gewährleisten und um die Corona-Schutzmaßnahmen vollumfänglich zu berücksichtigen, wurde der Einsatzabschnitt (EA) Atemschutzpool gebildet. Alle einsatzfähigen Atemschutzgeräteträger*innen gehörtem diesem EA an. Eine koordinierte Einsetzung und Ablösung der AT-Trupps war damit gewährleistet. Die Steuerung der Feuerwehreinsatzkräfte erfolgte durch die beiden Abschnittsleiter.

An der Einsatzstelle kam das Hygienekonzept der Feuerwehr Göppingen zur Anwendung. Es sieht vor, die kontaminierten Gerätschaften zu separieren und die kontaminierten Einsatzkräfte vor Ort zu entkleiden, um eine Schadstoffverschleppung zu verhindern. Als Ersatzkleidung stehen für solche Fälle Trainingsanzüge zur Verfügung, welche standardmäßig im Gerätewagen Transport ab einem »Brand 3« mitgeführt werden. Die kontaminierte Einsatzkleidung wird dabei vor Ort luftdicht in heißwasserlösliche Wäschesäcke verpackt und in einen Behälter gegeben. Der Behälter und die kontaminierten Gerätschaften werden anschließend mit dem GW-T in die Zentralwerkstätten der Feuerwehr Göppingen transportiert.

Gerätewagen Atemschutz mit Teilen des Hygienebereichs

Schlussbetrachtung

Der gemeldete Kleinbrand stellte sich nach der ersten Lageerkundung als Vollbrand einer Dachterrasse im 1.OG heraus. Ein Übergreifen des Feuers auf die angebaute Industriehalle und den oberen Bereich des Dachstuhls konnte verhindert werden.

Die zahlreichen Brandstellen und die beengten Platzverhältnisse im Bereich des aufgesetzten Balkons im zweiten Obergeschoss stellten die maßgeblichen Herausforderungen bei diesem Brand dar. Der Brand konnte schlussendlich nur durch einen massiven Atemschutzeinsatz gelöscht werden.

In diesem Einsatz hat sich bewährt, einen zentral geführten Atemschutzpool aufzubauen, frühzeitig Kräfte aus den Stadtbezirken nachzuführen und diese gesteuert, nach ihrem persönlichen Leistungsvermögen, nach ihrer konkreten Belastung und unter Berücksichtigung der Corona-Schutzmaßnahmen einzusetzen.

Das sich noch in der erweiterten Erprobungsphase befindliche Hygienekonzept der Feuerwehr Göppingen hat zudem vollumfänglich funktioniert. Eine Kontaminationsverschleppung ist nicht erfolgt. Als nächster Entwicklungsschritt ist an einen Wechsel der Brandschutzkleidung an der Einsatzstelle gedacht. Dieses Ziel soll noch im Jahr 2020 erreicht werden.

Im Einsatz waren

Feuerwehr Göppingen / Innenstadt

HLF 20, LF 16/12, LF 20-KatS, DL(A)K 23/12, ELW 1, 2 KdoW, GW-T, GW-A, MTW

Feuerwehr Göppingen / Bartenbach

LF 20-KatS, MTW

Feuerwehr Göppingen / Faurndau

TLF, LF10, MTW

Polizei mit 3 Streifenbesatzungen, Brandermittler, Regelrettungsdienst, SEG und OrgL  

Sven Wirth / Sebastian Spießhofer

Veröffentlicht in der Brandhilfe 02/2022

Seit 1954 ist die Brandhilfe die traditionelle Zeitschrift für die Feuerwehren in Baden-Württemberg. Herausgeber ist der Landesfeuerwehrverband Baden-Württemberg.

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